Gartengemeinschaftsgeschichte

In einem Garten lebten ein Regenwurm und eine Schnecke. Im Grunde hatten sie nicht viel miteinander zu tun, kamen sich kaum in die Quere. Sie nahmen sich gegenseitig nichts weg, er fraß unter der Erde, sie oberhalb, und so denkt man, es hätte eigentlich Frieden herrschen können zwischen den beiden. Und wenn man den Regenwurm sah, hatte man auch den Eindruck, er war mit sich im Reinen und recht glücklich. Die Schnecke trug jedoch meist eher einen unzufriedenen Gesichtsausdruck. Man musste natürlich genau hinschauen, um das zu erkennen. Sie haderte oft mit allem möglichen, z.B. damit, dass ihr Leben so gefährlich sei, da sowohl der Gärtner als auch seine Hühner ihr ständig nach dem Leben trachteten. Der Regenwurm könne sich einfach in die Erde zurückziehen und sei dann nicht so einfach zu finden und zu fressen wie sie. Sie fand das ungerecht. Selbst wenn sie Feierabend hatte, gut gegessen hatte, die Schneckenkinder in ihren Häuschen waren und keine Gefahr drohte, konnte die Schnecke sich nicht einfach zurücklehnen, das Leben genießen und Gott einen guten Mann sein lassen. Irgendetwas wurmte sie immer.

Eines schönen Tages – der Regenwurm hatte sich gerade wieder mal zur Oberfläche durchgegraben und genoss vorsichtig die frische Luft, die Schnecke war dagegen wieder ziemlich miesepetrig drauf, kroch sie direkt auf ihn zu und hatte vor, ihn zur Rede zu stellen und ihm mal so richtig die Meinung zu sagen. Sie schaute ihn vorwurfsvoll an, und wenn Schnecken einen Zeigefinger hätten, hätte sie ihn streng in die Luft gereckt. Sie sagte ihm auf den Kopf zu – jedenfalls sprach sie das Ende des Regenwurms an, von dem sie dachte, das sei der Kopf -, sie sagte ihm also, sie fände, er müsse mehr an sich arbeiten. Sie spüre deutlich, dass mit ihm etwas nicht ganz in Ordnung sei und das würde sich auch auf ihr Befinden auswirken. Schließlich lebten sie ja doch auf irgendeine Art gemeinsam hier im Garten und auch, wenn sie sich selten begegneten, die Schwingungen, die von ihm ausgingen, wären von ganz unguter Art. Ob er denn die Beziehung zu seinen Eltern geklärt hätte und zu seinen Mit-Regenwürmern, fragte sie ihn, und ob er nicht auch fände, er müsste sich insbesondere mal die Beziehung zu ihr anschauen. Sie hätte eindeutig das Gefühl, dass er voller Aggressionen steckte und Böses gegen sie im Schilde führte.

Ausgerechnet in diesem Augenblick kam jedoch der große Gärtner in den Garten, um einen Kopf Salat für das Mittagessen zu ernten. Der Regenwurm zog sich sofort in die Tiefe zurück, es war auch Zeit für ihn; denn zu lange durfte er sich dem Sonnenlicht ja nicht aussetzen. Und die Schnecke beeilte sich, naja, so wie halt Schnecken in der Lage sind, sich zu beeilen, unter dem Spinat ein Versteck zu finden. Sie war stinksauer. Wieder mal war das Schicksal zu ihren Ungunsten verlaufen. Gerade als die Lösung all ihrer Probleme so zum Greifen nahe gewesen war.