Der Weg zur Stille

Der Weg zur Stille

 

von Ernst Adams

 

Stille ist nicht der Raum zwischen zwei Gedanken
oder die Zeit zwischen zwei Geräuschen.

Stille ist nicht das Ergebnis eines Bemühens.
Sie kommt nur, wenn das Suchen endet.

Stille entsteht, wenn der Inhalt des Bewusstseins ganz
verstanden ist und darüber hinausgegangen wird.

                                                                                   Krishnamurti

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Es braucht innere Ruhe, um das Wesentliche vom Unwesentlichen unterscheiden zu können und das Richtige zu tun. Wir alle sehnen uns danach in Zeiten der Überforderung durch die äußeren Umstände, aber vielleicht auch als Grundbefindlichkeit, um die Aufgaben des Lebens besser meistern zu können.

Wir kennen den Zustand relativer Ruhe, einer entspannten körperlichen und geistigen Verfassung. Kaum störende Geräusche von außen und nur ruhige, angenehme Gefühle und Gedanken im Inneren. Was auftaucht, wird in ruhiger Weise betrachtet. Aber Stille ist etwas ganz anderes.
Stillsein ist ein waches Erleben ohne mentale Beschäftigung. Das Erlebte wird nicht verarbeitet, es bleibt beim Wahrnehmen, das Wahrgenommene erlischt danach sofort. Es findet nicht einmal eine Gedächtnisbildung statt. Man kann sich nachher an das Geschehene kaum erinnern.

Der normale menschliche Geist kennt Stille nicht. Das normale menschliche Bewusstsein ist ganz dem Denken gewidmet. Den Zustand von Stille, der jenseits des Denkens liegt, in dem es kein Gefühl von „Ich“ gibt, kann das Denken nicht kennen und auch nicht erreichen. Es will auch keine wirkliche Stille, es sieht darin keinen Gewinn, denn Stille wäre das Ende des Denkens, seine Auflösung. Aber das Denken ist nicht das Höchste in uns.
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Das Ich sucht keine Stille
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Die biologische Funktion des Denkens ist es, unser Überleben zu sichern. Die meisten Denkvorgänge laufen unbewusst ab, so wie wir uns auch der überwiegenden Zahl der sinnlichen Wahrnehmungen nicht gewahr sind. Unsere Aufmerksamkeit ist nur erforderlich, wenn wir etwas potentiell Bedrohliches erkennen, ein lautes Geräusch, ein intensives Körpergefühl wie Schmerz oder einen unangenehmen Geruch. Auch wenn wir etwas unserem Überleben Förderliches oder Genuss Verheißendes wahrnehmen, wenden wir ihm unwillkürlich unsere Aufmerksamkeit zu. Eigentlich bräuchten wir auch nur die in diesem Sinne wichtigen Gedanken wahrzunehmen. Aber wir lassen das Denken unser Bewusstsein nahezu vollständig ausfüllen.

Die Fähigkeit, Erinnerungen zu bewahren, zu vergleichen, sich etwas vorzustellen, bereits Erlebtes zu kombinieren, hat dem Menschen zu seiner dominierenden Stellung auf dieser Erde verholfen. Probleme lösen zu können und technische Hilfen zu erfinden, hat uns das Überleben enorm erleichtert. Das hat auch das Denken in den Vordergrund unseres inneren Erlebens rücken lassen. Es ist eine Konditionierung, die jedem Kind durch seine Umgebung, die Gesellschaft unweigerlich aufgeprägt wird.

Die Vorrangstellung des Denkens lässt in uns den Eindruck eines Zentrums entstehen, das im Mittelpunkt unseres Erlebens steht und von dem aus wir Entscheidungen treffen. Dieses Ich, Ego, Selbst ist jedoch lediglich ein energetisches Gebilde. Es ist wie ein stehender Wirbel in einem Bach, nur scheinbar hat es eine Form, eine gleichbleibende Beständigkeit. Es ist nur als der Gesamtkomplex der geistigen Aktivitäten existent.

Aus seiner biologischen Natur heraus, sucht das Ich hauptsächlich seinen eigenen Vorteil. Es will etwas haben und etwas werden. Das Ich folgt der Evolution, die es hervorgebracht hat.

Diesem von uns als Zentrum erlebten Ich ist Stille nutzlos. Es besteht ja gerade aus Denken und Verstehen, daraus, für Sicherheit und Kontrolle zu sorgen. Und das müsste zumindest vorübergehend enden, um Stille möglich zu machen.
Man kann dem Denken auch nicht begreiflich machen, dass es sich lohnt, still zu sein. Was dann erlebt wird, lässt sich gedanklich nicht fassen. Jede Beschreibung kann der Unerfahrene nur im begrenzten Rahmen seines Wissens und seiner bisherigen Erfahrungen verstehen.

Jeder Mensch erlebt dennoch auch Momente der Stille, der inneren Sprachlosigkeit, Augenblicke des Stillstands. Sie sind meist so kurz, dass das Bedeutende daran nicht erkannt wird. Selbst eine etwas längere Erfahrung eines ichlosen Zustands bringt noch keinen unmittelbaren Gewinn für das Dasein.

Wenn die Stille nichts zu bieten hat, wie kommt es dann, dass sie in fast allen Weltanschauungen, die sich mit dem Sinn des Lebens befassen, als ein hohes Gut angesehen wird? Warum sollte man nach etwas streben, das nichts bringt?

Die meisten Menschen begeben sich wohl auf die Suche danach, weil sie sich von spirituellen Lehren oder entsprechenden Büchern angesprochen fühlen, die ihre Bedeutung betonen. Und manchem geschieht als Glücksfall dieses innere Umschalten im Bewusstsein, das vorübergehende Sterben der üblichen Seinsweise, und er „sieht“ das Besondere daran.
Danach braucht es noch ein beharrliches Ringen mit sich selbst, ein Suchen, das von anderer Art ist als die uns bekannte. So wie die Instrumente des Denkens und des Wissens ungeeignet sind, unsere psychischen Probleme wirklich aufzulösen, helfen sie auch nicht beim Finden der Stille. Aber sie können erkennen helfen, was dem Finden im Weg steht.
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Angst und innere Unordnung verhindern das Stillwerden
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Innere Stille ist leichter zu erreichen, wenn es nicht laut ist, weder außen noch innen. Wenn Körper und Geist in einem ruhigen Zustand sind und es auch im Außen relativ ruhig ist. Letzteres ist leicht herzustellen. Um die innere Ruhe muss man sich bemühen.

Damit es innen still werden kann, sollte jedes bewusste und unbewusste mentale Tun aufhören oder ganz in den Hintergrund treten. Eine uns nicht bewusste Tätigkeit unseres Gehirns ist es, einen Großteil der inneren und äußeren Geschehnisse nicht das Bewusstsein erreichen zu lassen. Wir würden sonst überschwemmt von Gedanken und all den Eindrücken, die wir durch die Sinne empfinden können. Und der Schutz gegen das Auftauchen schmerzhafter Erinnerungen hat auch einen gewissen Sinn.

Allein durch das Aufgeben der Kontrolle darüber, was wahrgenommen werden oder auftauchen darf, entsteht unmittelbar Unsicherheit und damit Angst. Das ist die erste Hürde.
Das vielleicht noch größere Hindernis auf dem Weg zur Stille ist, dass verdrängte unangenehme Erinnerungen an die Oberfläche kommen und alle inneren Unstimmigkeiten bewusst werden können. Das Auftauchen alter Schmerzen ist bedrohlich und die Unordnung und Widersprüche, die offenbar werden, verwirren das Denken.
Die tiefen Vorgänge in unserem Gehirn sind so logisch und so exakt wie die eines Computers. Mit der inneren Verwirrtheit kommen wir im Alltag nur dadurch zurecht, dass wir jeweils einen Teil davon verdrängen. Wenn dieses Verdrängen aufhört, entsteht Unruhe.

Sich selber genau zu kennen ist eine Voraussetzung dafür, still werden zu können. Die Vergangenheit muss aufgeräumt sein, es muss Ordnung in der Gegenwart herrschen und die Angst darf keine beeinträchtigende Kraft mehr haben.
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Die Angst verstehen und beenden
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Angst ist eine sinnvolle biologische Einrichtung. Sie hat immer einen wertvollen Kern, eine Warnung, eine Aufforderung, aufzupassen. Dieser Kern darf nicht ignoriert werden, Angst darf nicht einfach unterdrückt oder missachtet werden, dadurch verschwindet sie nicht. Die Angst ist überwunden, wenn ihre Auswirkung auf das sinnvolle Maß beschränkt ist und sie keinen unangemessenen Einfluss auf das Verhalten mehr hat.

Das Überlebenwollen erfordert, dass wir uns um die Zukunft sorgen. Wir denken und planen voraus, spielen mögliche Szenarien durch und verhalten uns so, dass es uns möglichst gut gehen wird. Hier liegt die wesentliche Quelle der Angst.
Angst ist immer Angst vor dem, was kommen könnte. Angst vor einem unangenehmen Gefühl, einer schmerzhaften Erinnerung, die bewusst werden könnte, vor möglichen Gefahren oder einer bedrohlichen Zukunft.

Angst ist die wesentliche psychische Behinderung im Leben. Sie kommt aus dem Denken. Die Angst, nicht geliebt oder verlassen zu werden, hindert uns daran, der zu sein, der wir sind. Die Angst vor einem ungünstigen Ereignis in der Zukunft, Angst etwas zu verpassen, Angst zu scheitern, hemmen die freie Entfaltung unseres Potentials. Wer die Angst nicht überwindet, bleibt eine kümmerliche Version dessen, was er sein könnte.

Angst ist, wenn im Denken eine bedrohliche Vorstellung auftaucht und dieser die Aufmerksamkeit gegeben wird. Man erlebt dann, wie das Denken nach Auswegen sucht, nach Lösungsmöglichkeiten, nach Beschwichtigungen. Und jeder Versuch, von der Angst wegzugehen oder sie zu verdrängen, verstärkt sie letzten Endes.
Es ist uns normalerweise gar nicht möglich, den Gedanken nicht die Aufmerksamkeit zu geben. Der angemessene Umgang mit dem Denken besteht jedoch darin, ihm sich nur zuzuwenden, wenn es einen Sinn hat, wenn das Denken helfen kann, Probleme zu lösen, die nicht von ihm selber überhaupt erst erzeugt worden sind.
Dann ist es möglich, angstvollen Gedanken gegenüber gleichgültig zu bleiben, sie als ein Konstrukt des Gehirns anzusehen, die vielleicht einen sinnvollen Kern haben, aber sehr oft keiner weiteren Beachtung bedürfen. Sie sind dann einfach wie ein unbedeutendes Geräusch. Sie erlöschen, nachdem sie wahrgenommen wurden.
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Stille erfordert einen klaren Geist
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Unser Gehirn ist ein sehr präzise arbeitendes Organ. Damit es ruhig sein kann, braucht es Klarheit und Ordnung, ein aufgeräumtes gegenwärtiges Leben und eine geklärte Vergangenheit. Die meistens gestörten frühkindlichen Beziehungen sollten sich in Liebe verwandelt haben und die gegenwärtigen Beziehungen beschwerdefrei sein.

Die ganze Welt der Emotionen muss verstanden sein. Wir sind es gewohnt, unangenehmen Gefühlen wie Enttäuschung, Eifersucht oder Ohnmacht mit Denken zu begegnen. Wir decken sie zu mit aggressiven Gefühlen wie Ärger, Herabsetzung des Anderen oder Gewalt. Wir suchen im Denken nach einem Ausweg, halten das für Fühlen, weichen aber eigentlich aus durch gedankliche Ablenkung. Die Auflösung der tieferen, der eigentlichen Gefühle geschieht, wenn sie wirklich gefühlt werden. Wortlos. Ohne Bilder.
Wer sich der Stille nähert, nähert sich auch dem Gefühl des Nichts. Damit taucht das Gefühl auf, unbedeutend zu sein, nichts wirklich zu wissen, keine Ahnung zu haben. Auch Scheitern wird ein ständiger Wegbegleiter sein. Diese schwierigen Gefühle müssen genommen werden. Wer noch etwas Besonderes sein will, wer für die Möglichkeit des Scheiterns keinen Platz hat, wird nicht sehr weit kommen.

Es ist notwendig, sich genau zu kennen und zu durchschauen, so dass man nicht seinen alten Verhaltensmustern ausgeliefert ist und seinen Gefühlsreaktionen folgen muss. Nachdem diese Abläufe erkannt sind, braucht es das beharrliche Bemühen, einen Spalt zu schaffen zwischen dem Ereignis und der eigenen Reaktion darauf. Die innere Tendenz des Reagierens zu beobachten, ohne sie weghaben zu wollen, nimmt ihr langsam die Kraft.

Es kann nicht still werden, wenn die inneren Konflikte nicht beendet sind. Im alltäglichen Verhalten kommen wir einigermaßen damit zurecht, innere Einstellungen, Wünsche und Meinungen zu haben, die sich widersprechen. Wir sind in der Lage, uns zu verstellen, je nach Situation bevorzugen wir die eine oder die andere Haltung. Wir wissen zwar, was die richtige Handlung wäre, handeln aber aus eigennützigen Gründen oder aus Angst anders. Wir können die Unwahrheit sagen, weil es uns gerade eine Unannehmlichkeit erspart.
In der Tiefe führen Widersprüche und die Nichtübereinstimmung zwischen dem, was unser Innerstes sagt, und dem tatsächlichen Tun und Sprechen jedoch zu Spannungen. Das ist auch der Grund, weshalb es in den Religionen und den meisten spirituellen Richtungen moralische Gebote gibt. Sie kommen nicht vom lieben Gott, sondern ihre Nichtbefolgung widerspricht unserem Innersten, erzeugt Unruhe und verhindert den Seelenfrieden. Unser Innerstes kann nicht lügen.
Ehrlichkeit, Zuverlässigkeit, persönliche Integrität sind eine Notwendigkeit, wenn man die Essenz seines Wesens ergründen will.
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Das Denken an seinen richtigen Platz stellen
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Es kann nicht still werden im Bewusstsein, solange den Gedanken vorrangig die Aufmerksamkeit gegeben wird. Wer Ruhe anstrebt, erfährt sein eigenes Denken als störend. Es redet ununterbrochen. Es mischt sich überall ein und scheint eine eigenständige Kraft zu sein, die nicht zu bändigen ist.

Wir sammeln Erfahrungen, speichern erworbenes Wissen und können dies zu etwas Neuem kombinieren. Naturgemäß kann das Denken jedoch nicht über sich selbst hinausgehen. Es weiß nichts darüber, wovon es keine Erfahrungen gemacht hat. Zum eigentlichen Wesen unseres Seins, zum Sinn des Lebens und über das, was nach dem Tode sein wird, hat es nichts zu sagen
Das Denken sollte seine Begrenztheit einsehen und in den Hintergrund rücken, wenn man an den tieferen Fragen der Existenz interessiert ist. Das wird erleichtert, wenn die Vorgänge des Denkens und des sensorischen Wahrnehmens verstanden sind und gesehen wird, dass Gedanken und sinnliche Phänomene gleichermaßen lediglich Erzeugnisse unseres Gehirns sind.
Schon Buddha erkannte, dass es eine Illusion ist, zu glauben, in der Welt gäbe es Farben, Töne, Gerüche usw. Diese Erscheinungen erzeugt unser Gehirn in den jeweils dafür vorgesehenen Gehirnbereichen aufgrund der von den Augen, Ohren, Nase usw. kommenden Nervenimpulse.
Ein anderer Teil des Gehirns, das Großhirn, analysiert und verarbeitet das Erlebte und speichert Erinnerungen. Das, was uns davon bewusst wird, nennen wir Gedanken.

Was Bewusstsein ist und was es heißt, dass etwas bewusst wird, können wir letzten Endes nicht verstehen. Vielleicht ist es eine Manifestation unseres Gehirns, also materiell, oder es ist eine immaterielle, nicht näher fassbare Gegebenheit des Seins. Vielleicht gibt es unabhängig von dem, was wir als Leben kennen, eine Bewusstheit, ein „Gewahrsein an sich“ mit einer nicht begreifbaren Verbindung zum Gehirn. Dieses Gewahrsein wäre dann dem Denken und Wahrnehmen übergeordnet und unser Erleben, das Bewusstwerden eines Gedankens oder eines Sinneseindrucks, könnte so verstanden werden, dass der entsprechende Teil des Gehirns gerade „betrachtet“ wird. Er steht im Fokus des Gewahrseins. Die konditionierte Einengung dieses Gewahrseins auf die Denkvorgänge müsste dann aufhören, um eine Erfahrung jenseits des Denkens zu ermöglichen.

Man kann lernen, den Raum zu betreten, in welchem das Denken nur eines von mehreren inneren Geschehnissen ist. Da gibt es Gedanken, Gefühle, Gesehenes, Gehörtes – und der „Beobachter“ dieser Geschehnisse ist nicht das Ich. Es ist ein „Beobachten ohne Beobachter“, wie Krishnamurti es ausdrückte. Diesen Raum kennen die meisten Menschen nicht, das Denken hat keinen Zugang dazu.
Sich allem Wahrgenommenen ohne Worte zu widmen, kann die Tür zu diesem Zustand öffnen, in dem es keine Probleme gibt. Fühlen, Lauschen, Schauen usw., ohne dass die Aufmerksamkeit den eventuell auftauchenden Gedanken zugewendet wird.
Sensorisches Wahrnehmen ist etwas grundsätzlich anderes als Denken. Reines Fühlen ist ohne Worte, ohne Bilder, ohne Bewertung. Das Gefühlte wird nicht erkannt oder verstanden.
Der Übergang vom Lauschen, vom nicht von Gedanken abgelenkten Wahrnehmen in den Zustand der Stille kann nicht im üblichen Sinne gesteuert werden. Es ist ein Aufhören, ein Nicht-Tun, eine Gnade, wenn man so will.
Es braucht ein sehr genaues Beobachten, um das Auftreten dieses Zustands zu erkennen und einen sehr feinfühligen Umgang damit, um ihn zuerst überhaupt und später immer länger aufrechterhalten zu können. Sobald das Wahrgenommene beschrieben oder erkannt ist, ist es Denken, bzw. wir haben uns dem Wort zugewendet statt der Sache. Die Fülle des Erlebens wird reduziert auf das magere Wort.

Stille ist Wahrnehmen der im Bewusstsein auftauchenden Phänomene, ohne sich ihnen zuzuwenden oder von ihnen wegzugehen. Kein Interesse, keine Abwehr. Keine Reaktion. Es hat nichts mit Konzentration zu tun, es ist das Gegenteil davon. Jede Fokussierung, sei es auf den Atem, ein Mantra, ein Objekt, darf nur ein vorübergehendes Hilfsmittel bleiben. Sie ist immer noch eine subtile Tätigkeit des Ichs und verhindert das ichlose Stillsein.

Wir haben die Fähigkeit, reine Aufmerksamkeit zu sein, ein Gewahrsein, das sich nicht an Gedanken bindet, an Empfindungen oder Sinneseindrücke.
Da ist kein Bemühen mehr, keine Anstrengung.
Da ist nur Wahrnehmung. Kein Wahrnehmer.
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Jenseits der Vorstellungskraft
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Stillsein öffnet dir einen größeren Raum als den des begrenzten Denkens und des sinnlichen Erfahrens. Es ist ein Bewusstseinszustand, der Gedanken und Wahrnehmungen umfasst und sie als inneres Geschehen an ihrem angemessenen Platz belässt. Im Stillsein steht kein Geschehen im Vordergrund. Es ist Bewusstheit ohne Wahl, „choiceless awareness“ nannte es Krishnamurti.

Der Zustand innerer Stille ist das Einssein mit dem, was gerade ist. Ihn zu kennen, ist der erste Schritt auf dem Weg zum Ende des üblichen Daseins. Es ist erst ein Anfang. Du musst dich darum kümmern, wenn du dem Grund des Seins näher kommen willst. Sonst wirst du in deinem Leben nur die oberflächliche, von äußeren Gegebenheiten abhängige Form von Glück und Frieden erfahren. Wahrheit, Freiheit und Liebe haben lediglich die konventionelle Bedeutung, wenn du sie nicht auf dem Hintergrund der Stille siehst.

Die Stille ist das Unbekannte. Die angemessene Haltung gegenüber dem, was wir nicht kennen können, dem Jenseitigen, dem Unermesslichen ist Bescheidenheit und Demut. Mein eigenes erworbenes Wissen nützt mir nichts, mein angelesenes Wissen ist nur aus zweiter Hand. Ich habe keine Ahnung.
Wenn du das Nicht-Wissen, die Ungewissheit nicht erträgst, wirst du dich vielleicht einer Weltanschauung anschließen, dich einem Glaubenssystem unterwerfen oder dich in Spekulationen begeben. Frei bleibst du nur, wenn du die Unsicherheit aushältst, denn deine Entscheidung wird von deiner Vergangenheit bestimmt sein. Das Vergangene ist das Ich. Du bist die Gegenwart.
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Kontakt: www.stillekreis.de