Immer diese Kopfschmerzen! Morgens ging es los, tagsüber wurde es besser, abends kamen sie wieder. Dieses Türchen war einfach zu klein.
Als das Hähnchen zum Hahn geworden war, hatte es nochmal einen richtigen Wachstumsschub gemacht. Ja und seitdem war das Türchen zum Hühnerstall, durch das er und die Hühner morgens ins Freie gelassen wurden und abends wieder heimkehrten, zu klein. Er hätte natürlich nur den Kopf ein wenig einziehen oder beugen müssen, dann hätte er sich den alltäglichen Zusammenstoß mit dem oberen Rand des kleinen Türchens erspart. Aber er war ein stolzer Hahn, und er befürchtete, sein Ansehen unter den Hühnern könnte leiden, wenn sie ihn sähen, wie er in gebückter Haltung durch den Eingang ging.
Als das angefangen hatte, dass er nicht mehr hocherhobenen Hauptes das Hühnerhaus verlassen bzw. betreten konnte, tat der Hahn die erste Zeit so, als würde er sich beim Passieren des Eingangs bücken, um einen Regenwurm aufzulesen. Da Hühner aber ganz scharf auf Regenwürmer sind und immer schnell herbeirennen, wenn eins von ihnen scheinbar einen Wurm entdeckt hat, flog die Sache bald auf und er wurde für eine kurze Zeit zum Gespött des Hühnerhofs. So ging es also nicht.
Da er zwar ein eingebildeter, aber ein kluger Hahn war, kam er auf die Idee, immer beim Schlüpfen durch die Tür ein wenig in die Hocke zu gehen, gerade so viel, dass er sich nicht den Kopf anstieß. Darauf angesprochen, behauptete er, das sei eine Art Gymnastik, und damit es glaubwürdig erschien, lief er auch außerhalb des Stalles gelegentlich in der Hocke durch die Gegend, wenn er sicher war, dass einige Hühner ihn gerade beobachteten. Tatsächlich waren auch die meisten sehr beeindruckt von seinem kleinen Kunststück und baten ihn sogar, er möge es ihnen auch beibringen. Aber seine Kniegelenke machten nicht lange mit. Schon nach ein paar Tagen waren sie dick geschwollen und er war heilfroh, als er wieder normal gehen konnte.
Danach hatte der Hahn es mit Heimlichkeit versucht. Morgens ging er als letzter hinaus, hoffend, dass die Hühner so mit Fressen beschäftigt waren, dass sie sein gebücktes Hinausschleichen nicht bemerkten. Und abends wartete er, bis alle Hennen schon drin waren und er deutliche Schlafgeräusche hören konnte. Einmal jedoch hatte er zu lange gewartet, und der Bauer hatte die Klappe schon zugemacht, die in der Nacht seine Hühner vor Marder und Fuchs schützen sollte. Das war für den Hahn die schlimmste Nacht, die er je erlebt hatte. Er hatte sich unter einem umgedrehten Eimer versteckt und bibberte nicht nur vor Angst, sondern auch noch vor Kälte. An Schlaf war nicht zu denken.
Da er das nicht nochmal erleben wollte, musste er sich andere Maßnahmen ausdenken, wie er sein Gesicht wahren könnte. Ihm fiel schließlich ein, dass ja eigentlich der Bauer verantwortlich dafür war, die Wohneinrichtung für die ihm anvertrauten Tiere angemessen zu gestalten. Der Hahn verfasste also eine Petition an den Bauern mit dem Verlangen, das Eingangstürchen zu vergrößern und versuchte, die Hühner dafür zu gewinnen, diese mit zu unterschreiben. Er war bereit, bis zur höchsten Instanz zu gehen, sollte der Bauer sich weigern.
Den Hühnern war das Ganze jedoch ziemlich egal. Sie liefen sowieso die meiste Zeit in gebückter Haltung, um kein Körnchen oder Würmchen zu übersehen. Nur wenige Hühner unterstützten sein Anliegen, vor allem weil sie sich dadurch ein bisschen Sympathie und mehr Zuwendung vom Hahn erhofften.
Einige andere spotteten und warnten den Hahn, dass der Bauer ihn bald einen Kopf kürzer machen würde, wenn er so einen Aufruhr veranstaltet. Dann würde er gut durch das Türchen passen, kicherten sie.
Da schließlich alle Versuche des Hahns scheiterten, seinen Stolz zu wahren, sein Haupt nicht beugen zu müssen und trotzdem nicht damit anzustoßen, verfiel er in tiefe Niedergeschlagenheit. Er fraß wenig, hatte keine Freude mehr am Hühnerreiten und war den ganzen Tag schlecht gelaunt. Er ließ den Kopf hängen, wie man so sagt. Und das war natürlich die Lösung! Zumindest für sein Kopfproblem. Mit hängendem Kopf passte er locker durch das Türchen. Nie mehr Kopfschmerzen!
Jetzt dauerte es nicht mehr lange, bis es dem Hahn gelang, seine Wertvorstellungen und Bilder, die er von der Welt hatte, in seinem Kopf zu korrigieren. Er fand es auf einmal gar nicht mehr ehrenrührig, mal kurz den Kopf zu senken, wenn es halt angebracht ist. Wenn er ihn dann wieder hob, kam sein ganzer Stolz zum Ausdruck und niemand hätte es gewagt, darüber zu lächeln.