Die Schwebfliege

Wie der Name schon sagt, schwebte die Schwebfliege durch´s Leben. Da sie fast durchsichtig war, wurde sie von kaum jemandem bemerkt. War sie da, bemerkte man das erst, wenn man zufällig mal ganz genau hinschaute. Hören konnte man ihre Stimme ja nur, wenn man wirklich, wirklich genau zuhörte und wenn es ansonsten ganz still im Raum war, also höchst selten.

Die Schwebfliege erfreute sich an den netten Dingen des Lebens, den Blumen, den Wolken und schwebte immer froh gelaunt umher. Sie hatte keine Feinde. Sie schien auch gar nicht zu wissen, was das heißt, jemandem feindlich gesinnt zu sein. Weil sie selber so harmlos war, konnte sie sich auch gar nicht vorstellen, dass jemand nicht harmlos war. Und es wäre auch nie jemand auf die Idee gekommen, ihr ein Leid anzutun. An ihr war ja so wenig dran, dass sogar die Vögel und die anderen Insekten, die ansonsten einen leckeren Bissen nicht verschmähten, sie in Ruhe ließen.

Aber in der Schwebfliege brodelte es auch manchmal. Denn eigentlich gefiel ihr das nicht, dass sie so wenig beachtet wurde. Sie hatte nämlich durchaus ein Gefühl für ihre Bedeutung im Tierreich und ihre wahre Größe, und fühlte sich von den anderen Tieren zu wenig gesehen.

Dazu hätte sie ihnen zu gerne mal ihre Meinung gesagt und so richtig auf den Tisch gehauen. Wenn sie doch nur so laut trompeten könnte wie der Elefant, „Trörööh, trörööh!“, dann hätte sie ihnen mal so richtig die Meinung trompetet. Doch selbst, wenn sie sich ganz doll anstrengte, nickten und lächelten die anderen Tiere immer nur freundlich, weil das irgendwie nicht so richtig zu ihnen durchdrang.

Und neidisch war die Schwebfliege auch, nämlich auf die großen stolzen Vögel. Gerne wäre sie mal zumindest für eine kurze Zeit ein Adler gewesen. Dann würde sie den anderen zeigen, was in ihr steckte. Sie würde sich dann im Sturzflug nach unten stürzen und den anderen Vögeln und den Mäusen mal so richtig Angst einjagen.

So lebte die Schwebfliege ihr Leben. Manchmal glücklich, manchmal unglücklich. Eigentlich nicht viel anders als die anderen Tiere auch.
Als sie starb, war es klar, dass sie in den Himmel kommen würde. Sie hatte ja ein gutes Leben geführt und niemandem etwas Böses getan. Als sie an der Himmelspforte ankam, wurde sie von Petrus einfach durchgewunken und durft sofort nach oben zu den Engeln schweben. Niemand hatte was dagegen, dass sie nun bis in alle Ewigkeit herumschweben durfte. Auch deshalb, weil auch da kaum jemand sie bemerkte. Außer dem lieben Gott natürlich, dem ja nichts entgeht. Er liebte das kleine Schwebflieglein. Erstens war die Schwebfliege ja ein Teil seiner Schöpfung und daran gibt es nunmal sowieso nichts auszusetzen. Aber er war auch so angetan von ihrem guten Wesen, dass er sie eines Tages zu sich rief und ihr einen Platz auf einer Wolke ganz in seiner Nähe gab. Er schenkte ihr eine klitzeklitzekleine Harfe und nach kurzer Zeit konnte die Schwebfliege darauf die schönsten Himmelsmelodien spielen. Niemand hörte sie, außer dem lieben Gott; denn der hat nunmal besonders gute Ohren.